Energiewende in Deutschland 500 Milliarden Euro mehr für Stromnetze? Jetzt kassiert Habeck-Behörde eigene Zahlen ein

Mittwoch, 24.01.2024, 18:01

Verwirrung um die Kosten der Energiewende: Die Bundesnetzagentur korrigiert gegenüber FOCUS online ihre eigenen Schätzungen für Investitionen in Stromnetze. Was das für die Verbraucher bedeutet und wie viel teurer der Umbau wirklich wird. FOCUS online/Wochit
500 Milliarden Euro mehr für Stromnetze? Jetzt kassiert Habeck-Behörde eigene Zahlen ein

Die Energiewende in Deutschland rückt die Verteilnetze für Strom und Gas in den Mittelpunkt. Es ist zu erwarten, dass bis 2045 ein erheblicher Teil des Gasnetzes außer Betrieb genommen wird und die Stromnetzbetreiber in naher Zukunft erhebliche Investitionen und Modernisierungen vornehmen müssen. Und das kostet. In einigen Medien ist derzeit sogar die Rede von 300 bis 500 Milliarden Euro Mehrkosten gegenüber den bisherigen Angaben der Bundesnetzagentur, einer selbständigen Behörde im Geschäftsbereich von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Doch stimmt das?

Diese Berichte basieren auf einer Aussage der Bundesnetzagentur selbst: Investitionen im "niedrigen dreistelligen Milliardenbereich" müssten allein die Verteilnetzbetreiber bis 2030 stemmen, sagte Barbie Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Konkret sprach sie von "150 Milliarden Euro bis 2030". Hinzu komme "ein höherer dreistelliger Milliardenbetrag für die Übertragungsnetzbetreiber, der sich möglicherweise im mittleren dreistelligen Milliarden-Betrag aufhält."

Das würde den Investitionsbedarf vervielfachen - und die Stromrechnungen von Millionen Bürgern enorm in die Höhe treiben.

Denn bislang hatte die Bundesnetzagentur für das Übertragungsnetz, das die großen Stromtrassen und -leitungen umfasst, Investitionen in Höhe von 209 Milliarden Euro bis zum Jahr 2037 prognostiziert. Für das Verteilnetz ging die Behörde bis 2032 von Ausgaben in Höhe von 42,3 Milliarden Euro aus. Das geht aus dem Netzentwicklungsplan hervor.

Bundesnetzagentur muss Beträge nach oben korrigieren

Auf Anfrage von FOCUS online ordnet die Bundesnetzagentur die Summen nun noch einmal ein - und sagt plötzlich etwas ganz anderes: "Belastbare Zahlen zum Investitionsbedarf in die Strom-Verteilernetze erhalten wir Ende April aus den Netzausbauplänen", sagt Fiete Wulff, Pressesprecher der Bundesnetzagentur.

Konkret sagt er: "Aktuell halten wir unter erheblichen Unsicherheiten einen Investitionsbedarf von gut 150 Milliarden Euro bis 2045 für plausibel." Und auch der Investitionsbedarf in die Strom-Übertragungsnetze betrage laut Netzentwicklungsplan 300 Milliarden Euro bis 2045, so Wulff.

Die Zahlen, die seit der Pressekonferenz im Umlauf sind, stimmen also nicht? Frau Haller habe sich lediglich versprochen. "Wir haben einen genauen Überblick über die Zahlen. Und die genauen Zahlen sind jene, die ich ihnen genannt habe", so Wulff gegenüber FOCUS online. Heißt also:

Und:

In Zukunft wird es also zwar teurer, aber nicht in der Größenordnung von 500 Milliarden Euro Mehrkosten, wie es in manchen Medien hieß. Bis 2045 könnte der gesamte Investitionsbedarf in die Stromnetze laut Netzagentur bei rund 450 Milliarden Euro liegen. Zuvor war man von 250 Milliarden Euro ausgegangen. Die Rechnung erhöht sich also um 200 Milliarden Euro.

Für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das, dass auch auf sie Mehrkosten zukommen. Auf die konkrete Frage, was das für den Geldbeutel der Verbraucher heißt, sagte die Netzagentur nur, "dass diese Investitionen über zum Teil viele Jahrzehnte abgeschrieben werden und in jedem Jahr nur entsprechend niedrigere Anteile der Kosten in die Netzentgelte einfließen." Mit anderen Worten: Diese Kosten werden über viele Jahre verteilt abbezahlt, sodass jedes Jahr nur ein kleiner Teil dieser Kosten auf die Gebühren für die Nutzung der Netze aufgeschlagen wird.

Was auf Gaskunden zukommt

Die Bundesnetzagentur hatte am Donnerstag auf der Pressekonferenz ein Eckpunktepapier vorgelegt, das neue Regeln für die Berechnung der Netzentgelte vorschlägt, die jeder Haushalt zahlt. Diese Entgelte decken sowohl die Investitionen als auch die laufenden Kosten für den Netzbetrieb ab. Angesichts der Energiewende und der damit verbundenen sinkenden Gasnachfrage plant die Agentur, die Abschreibungszeiträume für Investitionen zu verkürzen. Dadurch können die Netzbetreiber in den kommenden Jahren höhere Kosten auf die Netzentgelte umlegen, als dies nach den bisherigen Regeln zulässig ist.

Dahinter steht die Idee, die finanziellen Lasten auf die derzeit noch zahlreichen Gaskunden zu verteilen. Bei einer langen Abschreibungsdauer könnten die Netzbetreiber ihre Kosten erst dann geltend machen, wenn es nur noch wenige Gaskunden gibt. Dies würde die verbleibenden Kunden finanziell überfordern und könnte dazu führen, dass die Netzbetreiber auf einem Teil ihrer Investitionen sitzen bleiben.

Sollte der Vorschlag der Bundesnetzagentur umgesetzt werden, könnten die monatlichen Gasnetzentgelte pro Haushalt um einen einstelligen Eurobetrag steigen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht endgültig, die Energiewirtschaft hat noch Gelegenheit zur Stellungnahme. Die finanziellen Auswirkungen dieser Änderungen werden für die Verbraucher voraussichtlich ab 2026 spürbar sein.


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